4. Januar 2021

Zeig' mir wie du zockst und ich sag' dir wer du bist

Egozentriker? Empathiesprudler? Selbstbeweihräucherer?

Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, Psychologie mithilfe von Videospielen auf eure Mitmenschen anzuwenden? Nicht? Na, dann stellt jetzt am besten mal euer gesamtes Leben um - und werdet waschechte Videospielpsychologen!
Wie das funktionieren soll? Super easy: Schnappt euch einen Freund, Kollegen, Bekannten oder euren großen Crush und setzt euch gemeinsam an ein Videospiel eurer Wahl. Aus eigener Erfahrung kann ich vor allem kooperative Spiele empfehlen; bestenfalls eines, dass Survival-Gameplay von euch abverlangt. Soll heißen, ihr müsst in jenem Spiel essen und trinken, und eigentlich zusammen im Team arbeiten, um erfolgreich und ohne große Verluste in eurem Vorhaben voranzuschreiten. Sei das nun ein selbstgebautes warmes Dach über dem Kopf zu haben oder einfach nur Gegnermassen niederzuschnetzeln.
Habt ihr also einen Zockkumpanen gefunden, ein kooperatives Survival-Spiel ausgewählt und eine Sitzgelegenheit zum gemeinsamen Spielen vorbereitet, kann eure insgeheime Psychoanalyse auch schon beginnen.
Vorteilhaft ist es, wenn ihr euren Spielpartner privat schon etwas näher kennt, womöglich schon die ein oder andere Charaktereigenschaft habt durchsickern sehen können; womöglich eine, deren wahrhaftiger Existenz ihr noch nicht ganz sicher seid, ihr aber unbedingt wissen wollt "Ist es wahr, dass ich mit einem Vollidioten liiert bin?". Denn glaubt mir: Ganz schnell werden sich diese Charakterzüge auch im kooperativen Spiel auftun und euch sogar in stark ausgeprägter Form unterkommen.
Spielt ihr beispielsweise mit jemandem zusammen, der im echten Leben stets an eurer Seite steht und euch hilft, wo er nur kann, so wird dieser sich auch im Überlebenskampf gegen Zombies/Dinos/Wahnsinnige direkt neben euch befinden, um auf Augenhöhe mit euch zu kooperieren und seine Hand ausstrecken, auch wenn das für ihn den sicheren Tod bedeuten könnte.
Habt ihr den Plan, auszutesten, ob eure große Liebe gut zu euch passt, dann könnte diese psychoanalytische Methode vielleicht auch für ein vorzeitiges Aus eurer Beziehung sorgen. Wer will denn schließlich mit einem Arschloch eine Partnerschaft führen?
Nunja, habt ihr bei eurer geliebten Person also vielleicht schon erahnt, dass sie egozentrische Charakterzüge aufweist, die Herzensdame bzw. der Herzensherr auch etwas zu sehr von sich selbst überzeugt ist, dann werden genau diese Eigenwahrnehmungen des oder der Ausgewählten auch während des Zockens auftreten und dementsprechend in Handlungen resultieren. Seid also darauf gefasst, dass sich der Überlebenskampf als noch schwieriger gestalten wird, weil euer vermeintlicher Mitspieler sich am aller liebsten um sich selbst kümmert.
Ihr wollt gemeinsam etwas errichten, um euch vor den Unwettern zu schützen? Erwartet, dass euer Mitspieler alles besser kann. Alleine. Ohne eure Hilfe. Also, das glaubt er zumindest.

Verzagt nicht direkt, wenn ihr durch diese Psychoanalyse total enttäuscht seid von euren Mitmenschen. Tatsächlich, kann dieses gemeinsam Zusammenspielen auch therapeutische Zwecke haben. So kann es passieren, dass der Egozentriker, plötzlich auch mal auf euch Acht gibt. Es kann passieren, dass der zu Aufopferungsvolle, auch mal etwas auf sich Acht gibt. Ja, es kann sogar geschehen, dass eine absolut abscheuliche Charaktereigenschaft auf einmal geheilt erscheint! Lasst euch nur nicht zu schnell täuschen. Es sind mehrere Sitzungen vonnöten, um eine eklige oder zu selbstlose Eigenschaft zumindest teilweise auszukurieren. Bei dem ein oder anderen wird es besser funktionieren, bei anderen weniger gut.
Einen Nutzen hat die Videospielepsychoanalyse allerdings immer: Ihr wisst, mit wem ihr es zu tun habt.

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